Feminismus und Emanzipation

Emanzipation betrifft immer beide Geschlechter. Obwohl die Rolle des Mannes ohne Zweifel die komfortablere war, wurde und wird die alte Rollenverteilung meines Erachtens beiden Geschlechtern nicht gerecht.
Ich habe irgendwo gelesen, dass „Feminismus nicht schön ist, aber nötig“. Ich denke, dass jedes Gefühl, was lange unterdrückt war erst einmal ins Extreme umschlägt und dies ist meist nicht schön und vor allem schwer auszuhalten. Deshalb ist es wichtig, dass wir Männer (und auch Frauen!) allen Gefühlen und Facetten des Feminismus standhalten und bereit dazu sind, dass sich Machtpositionen in unserer Gesellschaft gleichmäßig unter den Geschlechtern verteilen.
Der Emanzipationsprozess der Geschlechter und die Suche nach neuen und passenderen Rollenbildern ist damit natürlich nicht abgeschlossen. Im Gegenteil, erst der Ausgleich der Machtverhältnisse bereitet dafür eine echte Grundlage.

Exkurs 1:
In seinem dreibändigen Werk "Sex, Erotik, Liebe" ermittelt Adalbert Podlech den Umgang der Männer mit Frauen durch die Jahrtausende aus Sprachen und Texten, beginnend mit dem Sanskrit bis hin zum Minnesang.
Seine akribischen Recherchen belegen, dass durch die Jahrtausende Männer bestimmten, wie Sex, Liebe und Erotik ausgelebt wurden. "Für alle diese Gesellschaftsordnungen gilt, dass der Mann den Körper der Frau als sein naturgegebenes Operationsfeld betrachtet und dass die Lage beim Geschlechtsakt eine wichtige und meist kontroverse Rolle spielt. In keiner der untersuchten Kulturen ist die Frau als Frau vor dem Zugriff von Männern geschützt... Dass Männer Frauen schlugen und dazu das Recht hatten, ...war immer selbstverständlich.“
Vor allem in hebräischen und arabischen Texten dokumentiert sich aber auch die ständige Angst des Mannes vor der Frau.
Die Beziehung zwischen Frauen und Männern war also fast immer von Angst und Macht geprägt. Demzufolge bestünde der Emanzipationsprozess darin, dass sich Frauen aus ihrer Machtlosigkeit befreien (was durch den Feminismus bereits geschieht) und sich Männer ihren Ängsten gegenüber Frauen stellen und sich mit diesen auseinandersetzen.

Exkurs 2:
In ihrer erotischen Roman-Triologie „Shades of Grey“ schildert die britische Autorin L.E. James die Beziehung zwischen der 21-jährigen Studentin Anastasia Steele und dem sechs Jahre älteren Unternehmer und Milliardär Christian Grey. Im Laufe ihrer Beziehung übernimmt Christian die Kontrolle über Anas Gefühlswelt. Als sie ihn näher kennenlernt, erfährt sie, dass seine sexuellen Neigungen Bongage, Dominanz und Sadismus beinhalten, und dass Gefühlskälte, Verwahrlosung und Gewalt in seiner Kindheit ihn zutiefst traumatisiert haben. Sie lässt sich immer mehr auf seine BDSM-Spiele ein und hofft letztendlich auf eine tiefere Beziehung und mehr Nähe.
Den extremen Erfolg des Romans vor allem bei Frauen erklärt sich die israelische Kultursoziologin Eva Illouz unter anderem dadurch, dass wir, insbesondere auf dem Feld von Liebesbeziehungen noch immer in einer Welt tiefgreifenden Patriarchats leben. Ana ist sexuell völlig devot aber im Rest der Beziehung die Dominante, sie sagt ihm sehr deutlich, was sie will. „Dieser konstante Rollentausch macht den Roman so attraktiv und sorgt dafür, dass sich Frauen mit Anastasia identifizieren können.“
Mir erscheinen beide Formen der Sexualität, die dominante Rolle des Mannes und die devote Rolle der Frau gleichermaßen als einengend und wenig erfüllend. Man könnte den Roman also als Beschreibung eines Entwicklungsschrittes auf dem Weg zur Befreiung aus den traditionellen Rollenmustern verstehen, aber keinesfalls als dessen Endergebnis. So hat zeigt sich am Beispiel dieses Romans, dass sich der Rahmen in dem Sexualität stattfindet stark Richtung Freiheit und Freiwilligkeit verändert hat. Betrachtet man allerdings den Inhalt sexueller Lust wird man doch sehr an die alten Rollenmuster erinnert.
Die Trennung von den alten Rollenmustern bedeutet aber auch eine Verunsicherung der eigenen und der kollektiven Identität. Ein Identitätsverlust ist immer schwer auszuhalten. Es braucht für diesen Wandel daher ein starkes und unterstützendes gesellschaftliches Umfeld. Ich habe leider das Gefühl, dass dies im Moment nicht vorhanden ist und ein erneuter Rückzug in die alten Rollenmuster stattfindet. Ich bin trotzdem sehr gespannt wie sich die Inhalte sexueller Lust und die Geschlechterrollen in Zukunft verändern werden.

 

 

 

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